
Günter Wetzel
Geboren wurde Günter Wetzel 1955 in der Nähe von Pößneck/Thüringen. Er erlernte in den 1970er Jahren die Berufe Maurer, Forstarbeiter und Kraftfahrer. Später, "im Westen", übte Günter Wetzel verschiedene Tätigkeiten im Kfz-Bereich als Kfz-Mechaniker, Kfz-Meister, Trainer, Ausbilder und Berater aus. Günter Wetzel hat zwei Kinder und lebt mit seiner Lebensgefährtin in Chemnitz.
Geschichte der Flucht
1974 lernte das Ehepaar Wetzel das Ehepaar Strelzyk kennen, die wie die Familie Wetzel zwei Kinder hatten. Beide Familien waren v.a. mit der eingeschränkten Reise- und Meinungsfreiheit in der DDR unzufrieden. Zudem wollte Günter Wetzel ein Taxiunternehmen gründen, dies wurde jedoch abgelehnt. Nachdem er in einer westlichen Zeitschrift von Heißluftballonen gelesen hatten, beschlossen sie gemeinsam am 8. März 1978, mit einem Heißluftballon aus der DDR zu flüchten.
Der erste Ballon wurde aus Futterstoff einer Lederfabrik gefertigt, der in ausreichender Menge vorhanden war. Den Brenner bauten sie nach dem Prinzip eines Ofenrohrs, durch das Propangas aus einer Flasche strömt, entzündet und mit einem Ventil geregelt wird. Der Korb bestand aus einer selbstgebauten Plattform mit einem einfachen Geländer. Da sich die Hülle als zu luftdurchlässig erwies, imprägnierten sie sie teilweise. Nach einem vorzeitig abgebrochenen Testlauf wurde die Hülle auf dem folgenden Transport weitestgehend zerstört und schließlich aus Vorsicht verbrannt.
Für den zweiten Ballon verwendeten sie nach dem Testen der Luftdichtheit verschiedener Stoffe mit einem Staubsauger 900 qm Taftstoff, den Peter Strelzyk und Günter Wetzel in einem Kaufhaus in Leipzig erwarben. Um nicht aufzufallen, gaben sie sich als Ingenieure des Segelclubvereins Hohe Warte (ein Stausee in der Nähe von Pößneck) aus. Trotz der Ernsthaftigkeit des Projektes erfreuten sie sich am Aussehen ihres Ballons und achteten z. B. auf die Nähte und den Farbwechsel der Stoffe. So war die Freude riesengroß, als der Ballon zum ersten Mal beim Testlauf befüllt am Nachthimmel stand. Zum Befüllen des Ballons mit Luft verwendeten sie ein Gebläse, das sie aus einem Motorradmotor bauten. Allerdings war der Brenner nicht leistungsfähig genug. Familie Wetzel hatte Bedenken, ob die Konstruktion insgesamt für acht Personen ausreichend sei. Auch aufgrund wachsender Meinungsverschiedenheiten zwischen den Familien und vor allem aus Sorge um ihre Kinder entschied Familie Wetzel, mit diesem Ballon keinen Fluchtversuch zu unternehmen.
So unternahm Familie Strelzyk in der Nacht vom 3. auf den 4. Juli 1979 den ersten Fluchtversuch. Dieser scheiterte allerdings, da der Ballon ca. 3000 Meter vor der Grenze im Sperrgebiet landete. Der Ballon war zu schwer, da sich die Ballonhülle in den Wolken mit Wasser vollgesogen hatte. Dieser Ballon wurde von den Grenzsoldaten gefunden und anschießend nach den Erbauern des Ballons gefahndet. Familie Wetzel wurde klar, dass sie sich in großer Gefahr befanden, verhaftet und von ihren Kindern getrennt zu werden.
Die Familien Wetzel und Strelzyk beschlossen daraufhin am 27. Juli 1979 ein zweites Mal, mit dem Ballon in den Westen zu fliehen. Sie kauften abwechselnd und unter großer Anspannung geringe Mengen unterschiedlichen Stoffes in Geschäften in der gesamten DDR bis Rostock und Schwerin, bis sie die benötigten 1300 qm beisammen hatten. Sie hatten das Ziel, innerhalb von fünf Wochen bis zum Ende von Günter Wetzels und Peter Strelzyks Urlaub fertig zu werden. Dies gelang ihnen schließlich, auch durch die Hilfe von Peter Strelzyks älterem Sohn. Am letzten Urlaubstag, in der Nacht vom 15. zum 16. September 1979, entschlossen Sie sich, ohne vorherigen Testlauf bei guten Wetterbedingungen in den Westen zu starten. Trotzdem der Ballon während des Starts Feuer fing, sich oben an der Kuppel ein Loch auftat, sie die Orientierung aufgrund der Drehung des Ballons und der fehlenden Orientierungspunkte fast verloren, Scheinwerfer des Grenzübergangs Rudolphstein nach ihnen suchten und ihnen schließlich das Gas ausging, landeten sie nach 28 Minuten, 18 km Flugstrecke und einer Flughöhe von bis zu 2000 m nach einem steilen Sinkflug in unmittelbarer Nähe eines Fichtenwaldes und einer Hochspannungsleitung weitgehend wohlbehalten am Finkenflug bei Naila. Während des Fluges spürten sie keine Angst, jedoch machte ihnen die Kälte zu schaffen.

Da sie unsicher waren, ob sie ihr Ziel tatsächlich erreicht hatten, blieben die vier Kinder und die beiden Frauen nach der Landung zunächst in einem Busch versteckt, während die beiden Männer das Gebiet vorsichtig erkundeten. Dabei ahnten sie bereits, dass sie es tatsächlich geschafft hatten. Neben der einsetzenden körperlichen und geistigen Erschöpfung stellte sich schließlich große Freude ein. Sie kamen zu einer Scheune, bei der Sie kurze Zeit später auf zwei bayerische Polizisten trafen. Die Polizei fuhr in dieser Nacht verstärkt Streife, da gemeldet wurde, dass am Himmel ein Lichtschein aufgetaucht war. Danach feuerten Sie eine mitgebrachte Handleuchtkugel ab, um den Frauen und Kindern zu signalisieren, dass Sie im Westen angekommen waren. "Sind wir hier im Westen?", fragte Peter Strelzyk, woraufhin der Polizist antwortete: "Ja natürlich, wo denn sonst?"

Die Familien wurden nach ihrer Ankunft von vielen Helfern mit allem Notwendigen versorgt und der Ballon geborgen. Die beiden Familien gingen danach aufgrund persönlicher Differenzen getrennte Wege. Beide Familien finanzierten sich die ersten Monate im Westen durch einen Vertrag mit der Zeitschrift "Stern", der sie schließlich auch zu den Dreharbeiten des Films "Mit dem Wind nach Westen" nach Hollywood führte. Anfang 1980 zog sich Familie Wetzel aus der Öffentlichkeit zurück, Günter Wetzel begann die lang ersehnte Ausbildung zum Kfz-Mechaniker in einem Autohaus in Naila.

Die Mutter und der Stiefvater von Günter Wetzel wurden von den Sicherheitsorganen der DDR bespitzelt, da der Verdacht bestand, dass sie von Günter Wetzel, der zwischenzeitlich seinen Pilotenschein machte, abgeholt werden sollten. Familie Wetzel sollte durch ein älteres Ehepaar zurück in die DDR gelockt werden.
Die Flucht der beiden Familien erregte weltweites Aufsehen und wurde zweimal verfilmt ("Mit dem Wind nach Westen", USA, 1981, "Ballon", Deutschland, 2018)
Autor: Lars von Varel
(Quelle: www.ballonflucht.de, www.hbdg.de, www.wikipedia.de)